Ich höre selten Radio während ich Auto fahre. Lieber nütze ich diese ruhige Zeit, um meinen Gedanken nachzuhängen. Durch Zufall habe ich heute aber den Teaser einer Radiosendung gehört. Ein Landwirt wünscht sich von „das ganze Land“ mehr Wertschätzung.

Ich kann das verstehen. Die Landwirtschaft ist ein harter Job, der viele Risiken birgt. Nach Jahrzehnten in der Privatwirtschaft kann ich mir kaum vorstellen, wie schwierig die Abhängigkeit des Erfolgs von nicht beeinflussbaren Parametern sein muss. Dürre, Regen zur Unzeit, zu viel Sonne, zu wenig Sonne, Hagel und Schädlinge machen den ohnehin schon harten Job (noch) schwerer. Wenn ich dann zwei Kilo Erdäpfel um schlappe zwei Euro im Laden sehe, kann ich gut verstehen, was mit der mangelnden Wertschätzung gemeint ist.

Doch erst vor wenigen Tagen hatte ich ein berührendes Telefonat mit einer Geschäftsfrau. Sie erzählte mir, dass sie jetzt eine Therapie macht, denn sie hat Angst, ihren Alltag sonst nicht mehr zu schaffen. Abends, wenn Sie erschöpft heimkommt, trinkt sie ein Glas Wein. Mitunter täglich. Sie, die nie Alkohol getrunken hat. Ich frage nach, ob denn die Geschäfte nicht mehr gut laufen. Doch, doch, darüber kann sie nicht wirklich klagen. Sie leidet – ratet mal! – unter mangelnder Wertschätzung.

Allgegenwärtig!

Hand aufs Herz: Wenn Ihr im Laden Erdäpfel kauft, denkt ihr dann dankbar (und wert.schätzend) an den Landwirt, der sich für Euch (und uns alle) die Mühen gemacht hat? Wenn Ihr im Laden ein hübsches Kleid findet, das Euch hervorragend steht und schmückt. Seid Ihr dann der Ladenbesitzerin gegenüber wert.schätzend, dass sie gerade dieses Teil, das wie für Euch gemacht ist, eingekauft hat, damit Ihr es hier findet?

Mangelnde Wertschätzung ist nicht so sehr (nur) das Leiden unserer Landwirtschaft. Es ist das Leiden unserer Gesellschaft! Mittlerweile ist für uns alles – und sei es noch so gut und schön – scheinbar selbstverständlich geworden. Menschen die – egal in welchem Bereich – einen Dienst an der Gesellschaft leisten, erfahren dafür oft keinerlei Wert.schätzung. „Das ist doch schließlich ihr Job“, sagt man.

Doch man stelle sich vor: Alle Dienst.leister (und innen) legen morgen, frustriert vom Mangel an Wert.schätzung, ihre Arbeit nieder (und ich kenne auch solche Fälle aus meiner Praxis! Na, da war dann aber die Hölle los!). Woher nähmen wir unsere Erdäpfel, unser Brot, unsere Schuhe oder die schönen Kleider?

Dankbarkeitsübung

In spirituellen Kreisen ist Dankbarkeit eine der wichtigsten Übungen. Bin ich dankbar, bin ich in einer solch liebevollen Verbindung mit allem um mich herum, dass kein Platz für negative Gedanken bleibt. Da kann man sich all die Mühe mit dem „positiven Denken“ getrost sparen! Und Gründe für ein Gefühl der Dankbarkeit haben wir alle wohl mehr als genug!

Dem Dienst.leister gegenüber muss man jetzt nicht unbedingt Dankbarkeit fühlen (wobei es natürlich nicht schadet!), aber den Wert seines Einsatzes, seiner Arbeit, seiner Bemühungen zu schätzen, tut der eigenen Seele gut und auch der des anderen. Es schafft Freude, ZuFRIEDEnheit und … letztlich auch wiederum Dankbarkeit beim Gegenüber.

Ja, so einfach kann sich der Kreis schließen …